Das Knotenhalfter

von Heinz Welz

Eine Ausbildungs- und Umgangshilfe: Multifunktional, pferdefreundlich, leicht und die preiswerteste Lösung, die man sich denken kann

Das Knotenhalfter ist eines der wichtigsten Ausbildungshilfsmittel für Mensch und Pferd. Später dient es auch als (das leichteste) Reithalfter. Ich nenne es wichtig, weil es einige entscheidende Vorteile birgt:

Ein Knotenhalfter muß dem Pferd passen

Der Simpelste ist der: Bei Bedarf wirkt das Knotenhalfter schärfer als das Stallhalfter. Grund: Aus der Physik wissen wir: Druck ist definiert als „Kraft je Fläche“ . Aufgrund ihrer geringeren Auflagefläche (Seilstärke ca. 6 mm) haben Knotenhalfter folglich eine stärkere Wirkung am Kopf des Pferdes als Stallhalfter mit ihrer breiteren Auflagefläche.

Es gehört zu den vielen Gerüchten in der Reiterei, dass Knotenhalfter ihre (geheimnisvolle) Wirkung deshalb erzielten, weil die Knoten an „Akupunkturpunkten“ des Pferdekopfes lägen. Das ist Unsinn, wie so vieles, das in unserer Szene unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit verbreitet wird. Die Knoten sind schlicht und einfach dafür da, beim Knüpfen des Halfters das Seil in die richtige Richtung zu bekommen. Die Knoten sind also notwendige Kreuzungspunkte. Dass sie wegen ihrer Wulst zusätzlichen Druck ausüben, ist selbstverständlich.

Aus dem Cowboylasso entwickelt

Das Knotenhalfter ist geschichtlich nichts anderes als die Weiterentwicklung der „war bridle“, einer Zäumung, die aus einer speziellen Handhabung des Cowboy-Lassos entsteht. Die geschickten Cowboys (und auch Indianer) schlangen ihr Lasso, nachdem sie ein Pferd eingefangen hatten, mit ein paar gekonnten Schlingen vom Genick aus so um den Kopf des Pferdes, dass am Ende eine Art Halfter mit Führstrick aus einem Stück daraus wurde. Das Ding ähnelt vielen späteren Halfter-Entwicklungen, die sich um die Nase des Pferdes bei Zug zuziehen (und beim Loslassen leider nicht immer öffnen). Das Knotenhalfter erspart dem Anwender die Kunst des Lassowerfens und vereint

 

– zusammen mit einem längeren Führstrick – alle Vorteile der „war bridle“ ohne deren Nachteile aufzuweisen.

Das Knotenhalfter hätte im Bereich von Horsemanship nichts zu suchen, wenn es nur um seine scharfe Wirkung ginge. Das Schärfeargument gilt nämlich auch umgekehrt: Je geringer die menschliche Kraft ist, die über das Führseil (später auch Zügel) ausgeübt wird, desto sanfter ist die Einwirkung. Und somit sind wir bei der Zusammenfassung der simpelsten Vorteile des Knotenhalfters: Man kann mit ihm so sanft wie möglich einwirken und so hart wie nötig. Das ist ein wesentliches Kriterium für Horsemanship – angemessenes Pferdemenschverhalten also: Nie „leiser“ aber auch nie „lauter“ als nötig zu sein im Umgang mit Pferden.

Weder zu laut noch zu leise

Das ist wie in der Kindererziehung: Wer immer nur brüllt, hat meistens nicht Recht. Im Gegenteil: Er verschreckt das Kind. Es wird entweder versuchen, sich ihm zu entziehen; oder aber: Es verschanzt sich, macht zu, stumpft äußerlich ab. Umgekehrt: Wer immer nur leise flüstert, der wird sich im Zweifelsfall nicht ausreichend Gehör verschaffen können. Die Kunst der Kommunikation mit Pferden (ebenso wie mit Menschen, Hunden etc.) besteht darin, jederzeit angemessen agieren zu können – also weder zu laut zu werden noch zu leise zu sein.

Natürlich ist diese Fähigkeit der angemessenen Kommunikation keine Frage von Seilmaterial. Diese Fähigkeit hängt von der Erfahrung und der Reife eines Menschen ab. Das Material ist aber wertvolle Unterstützung dafür, diese Erfahrung und Reife zum Ausdruck zu bringen. Und ein kleines Stück weit hilft das Material auch dabei, positive Erfahrungen zu sammeln. Denn ein unsicherer Mensch wird ein aufmüpfiges Pferd leichter zur Raison bringen mit der entsprechenden Ausrüstung.

 

Ein unsicherer Mensch wird ein aufmüpfiges Pferd mit der entsprechenden Ausrüstung leichter zur Raison bringen

„Du musst Dein Pferd fühlen lernen!“

„Dann kann man ja auch gleich eine Führkette verwenden“, könnte jetzt jemand sagen. Denn bei Führketten beginnt die Einwirkung schon auf der leichtesten Stufe. Stimmt, aber diese Stufe kann man nicht schrittweise erhöhen. Um es populär zu sagen: Mit der Führkette kommen Sie sofort „von Null auf Hundert“. Und da sind Sie pädagogisch wieder beim „Brüllaffen“, wie er oben beschrieben wurde. Führketten hießen ursprünglich übrigens: „Hengstketten“. Warum wohl?

Jeder qualifizierte Umgang mit Pferden ist gekennzeichnet durch das Maß an Gefühl, das der Mensch dem Pferd entgegenbringt. „Du musst Dein Pferd fühlen lernen!“ Diese Forderung durchzieht die gesamte Pferdeliteratur. Zu Recht, denn ohne Gefühl ist man schnell bei der Gewalt. Nur durch Gefühl kann ich den oft entscheidenden Unterschied erkennen. Und nur mit Gefühl kann ich – umgekehrt – zu der erwünschten (und von vielen so sehr ersehnten) Leichtigkeit im Umgang mit Pferden kommen.

Trainingsanzug statt Schlafanzug

Keine Frage: Fühlen lernt man nicht mit Material. Dennoch ist das Knotenhalfter ein unerlässliches Hilfsmittel, um das eigene Gefühl zu erproben. Der Umgang mit dem Knotenhalfter und die entsprechende Reaktion des Pferdes zeigen, wo der Mensch in seiner Ausbildung steht; ob er seine Energie unter Kontrolle hat (und somit auch seine Emotionen), und ob er geschickte Hände hat.

Ich nenne das Knotenhalfter auch gerne „Trainingsanzug“ – im Unterschied zum „Schlafanzug“, dem Stallhalfter des Pferdes. Das bedeutet: Knotenhalfter sollten grundsätzlich nur zum Training, zur Ausbildung und zum Führen von Pferden benutzt werden; nicht als Anbindestrick (wohl aber zum Anbindetraining unter Aufsicht des Menschen) und nicht als Stall- oder Weidehalfter. Denn im Unterschied zum herkömmlichen Stallhalfter besitzt das Knotenhalfter keine Sollbruchstelle. Es wird also im Ernstfall nicht reißen. Das Pferd kann sich somit, wenn es z.B. irgendwo hängen bleibt, schwere Verletzungen zuziehen.

Optimaler Sitz: unterm Jochbein

Wichtig für den richtigen Einsatz des Knotenhalfters ist, dass es auch passt, also weder zu groß ist noch zu tief verschnallt sitzt. Ein zu großes Halfter schlenkert dem Pferd um den Kopf, Ihre Impulse kommen nicht richtig an. Ein zu tief verschnalltes Halfter sitzt beim Pferd auf dem Nasenbein (das an seinem unteren Ende nicht mit dem Pferdeschädel verbunden ist) und kann dort Verletzungen herbeiführen. Optimal sitzt es, wenn die äußeren Knoten etwas unterhalb des Jochbeins liegen. Ein gutes Knotenhalfter ist also maßgefertigt.

Das Nasenbein ist an seinem unteren Ende nicht mit dem Pferdeschädel verbunden.

Wichtig ist auch gutes Material, aus dem das Knotenhalfter hergestellt ist, wie etwa Segelleine. Die reißt nicht, fasert nicht auf und fühlt sich für Mensch und Pferd gut an. Außerdem ist sie leicht zu reinigen und steht nicht – wegen ihrer

Ein gutes Knotenhalfter besitzt Ringe links und rechts zum Einschnallen von Zügel

mangelnden Geschmeidigkeit - kurios vom Kopf des Pferdes ab. Billiges Material ist nicht geschmeidig – leitet Ihre Impulse also nicht richtig weiter; und ist unangenehm zu tragen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten arbeiten oder lernen und dabei einen kratzigen Pullover auf der Haut tragen. Wie wäre es da um Ihre Aufmerksamkeit bestellt?

Ein gutes Knotenhalfter hat auch Ringe links und rechts, um bei Bedarf Zügel darin einzuschnallen. Ein gutes Knotenhalfter ist nämlich multifunktional. Zwar ist Bodentraining die Domaine des Knotenhalfters. Genau so gut (und effizient) lässt es sich aber auch zum Reiten verwenden. Ich selbst und viele meiner Schüler reiten nur noch damit.

 

Beim gebisslosen Reiten ist man übrigens in guter Gesellschaft. Schon der französische Reitmeister Francois Robichon de la Guèriniere, auf den sich so viele „alt-klassischen“ Reiter kurioserweise berufen, empfahl, das Pferd so lange gebißlos (damals: mittels Kappzaum) zu reiten, bis der Reiter in der Lage war, das Pferd zügelunabhängig zu kontrollieren (!).

Ausbildung für Reiter und Pferd

Der Ordnung halber sei jedoch erwähnt: Um umfassende Erkenntnisse über gebissloses Reiten und dessen Vorteile – auch für gutes Dressurreiten - zu bekommen, sollten Pferd und Reiter speziell ausgebildet sein. Das ist allerdings nicht schwer. Dazu gehören lediglich ein kleines Set von Führ- und Bewegungsübungen am Boden und einige Übungen vom Sattel aus, die die unterschiedlichen Einwirkungsmöglichkeiten über die Kopfseiten des Pferdes und seinen Nasenrücken berücksichtigen.

Nach langjährigem Experimentieren mit den unterschiedlichen gebisslosen Zäumungen mit annähernd hundert Pferden verwende ich mittlerweile nur noch das Knotenhalfter mit seitlich angebrachten Ringen. Es ist multifunktional, pferdefreundlich, leicht und die preiswerteste Lösung, die man sich denken kann.

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Den Umgang mit dem Knotenhalfter schildert Heinz Welz in seinem Buch "Entdecke den Horseman in Dir"

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