Roundpenarbeit pur: Wie Pferde sich gegenseitig "joinen"


Von Kirsten Lotz
(Bilder s. unten)
Vor Kurzem hatte ich zufällig das Glück, dass mir meine eigenen beiden Pferde eine Lektion in Joining gezeigt haben. Ein netter Nachbar wollte mir eine Fuhre Bodenbelag für meinen Paddock zukommen lassen. Das Ganze sollte nur schnell mit der Frontladerschaufel auf der Koppel abgekippt werden. Also sperrte ich meine Pferde, Mr. Freckles (18 jähriger Apaloosamix-Wallach) und Mona (10jährige Fjordstute), in den Roundpen.

Leider – oder: welch Glück – bestreikte der Trecker das Abladen mit einer technischen Panne, so dass es wesentlich länger dauerte. In der Zwischenzeit beobachtete ich meine Pferde, falls der Roundpen plötzlich zu eng werden sollte.

Zunächst waren die Pferde abgelenkt und beobachteten den Trecker. Das wurde ihnen aber schnell langweilig, also kehrten sie zu ihrem üblichen Verhalten zurück und beschäftigten sich miteinander. Mr. Freckles ist der ranghöhere und er demonstriert das Mona gegenüber auch öfter, weil sie immer wieder austestet, ob die Rangfolge tatsächlich so bleiben soll. Wenn sie rossig ist, macht der Wallach Zugeständnisse, aber sonst ist er konsequenter, als ich es jemals sein werde.

Normalerweise geht Mr. Freckles auf Mona zu und „dirigiert“ sie schon aus drei bis vier Meter Entfernung nur mit Blick und Ohrenspiel. Mona bringt dann genügend Distanz zwischen sich und ihn, woraufhin wieder Ruhe einkehrt.

Im Roundpen war aber nicht genügend Platz für diese Distanz vorhanden. Also stand Mr. Freckles sehr schnell in der Mitte, und Mona war gezwungen, um ihn herum zu traben. Das gefiel ihr aber überhaupt nicht, und sie probierte von vorne an Mr. Freckles heran zu kommen, um ihren eigenen Raum zu beanspruchen.

Leider war sie gerade nicht rossig, und er bestand auf seiner Führungsposition. Jedesmal, wenn Mona versuchte, ihre eigenen Wege zu suchen, wurde sie von Mr. Freckles korrigiert. Er stand dabei in der Mitte, senkte den Kopf in die Waagerechte, legte die Ohren leicht an - seine Blickrichtung (auf welches Körperteil von ihr) konnte ich leider nicht genau ausmachen – und machte schnell ein bis zwei Schritte, fast Sprünge, aus der Hinterhand heraus auf Mona zu. Mona konnte nur auf die äußerste Kreisbahn ausweichen. Das reichte aber nicht, durch Schnelligkeit und Bewegung konnte sie die Situation nicht lösen.

Mr. Freckles wollte mehr erreichen. Er stoppte sie mehrfach und ließ sie wenden. Ich war so fasziniert, dass ich leider nicht genau darauf geachtet habe, ob sie nach außen oder nach innen gewendet hat und in welchem Winkel er genau auf sie zugegangen ist. Mir wurde es auch langsam mulmig zu Mute, ob ich nicht doch eingreifen müßte.

 

Mona wollte nicht nachgeben, sondern riskierte nach mehreren Wendungen, dass sie Mr. Freckles ihr Hinterteil zudrehte und in die Luft, aber deutlich in seine Richtung, auskeilte. Die Antwort kam ohne Verzögerung. Mr. Freckles drehte sich sofort um 180 Grad und keilte ebenfalls in die Luft, aber in ihre Richtung, aus.

Das passierte zwei bis drei Mal, der Abstand zwischen den Pferden wurde immer geringer. Ich stand schon auf dem Sprung, um die beiden zu trennen. Plötzlich gab Mona nach und lief wieder weg. Mr. Freckles blieb ruhig in der Mitte und beobachtete sie. Dann ging er zwei Schritte aus der Mittelposition heraus und tat so, als würde er sich für das Gras am Boden interessieren, aber er fraß nicht.

Mona beobachtete ihn ganz genau, drehte sich zu seinem Hinterteil - durch das sie kurz zuvor noch heftig attackiert worden war – und schloß sich ganz dicht an Mr. Freckles an. In dieser Position blieb sie ruhig stehen. Mr. Freckles fing an zu grasen und bewegte sich langsam von ihr weg. Mona senkte auch die Nase, wagte aber nicht, zu fressen, obwohl sie sehr verfressen ist (Fjordpferd!). Von einer Minute auf die andere konnte ich zwei friedlich nebeneinander, bzw. leicht hintereinander „grasende“ Pferde beobachten.

Die ganze Aktion hatte ca. 15 Minuten gedauert. Der Trecker funktionierte endlich einwandfrei und nach weiteren zehn Minuten konnte ich die Pferde wieder auf die Weide entlassen.

Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, dass statt Mr. Freckles auch ein Mensch in der Mitte des Roundpen hätte stehen können, und ich hätte ein Joining aus einem Deiner Seminare; Heinz, beobachtet. Mr. Freckles ist ein sehr energiesparendes Pferd, das keinen unnötigen Schritt zuviel macht. Er hat mir an diesem Tag deutlich gezeigt, wie effektiv er sich positionieren kann, um das zu erreichen, was er will.

Als ich eine Weile nachgedacht hatte, fiel mir noch auf, dass die ganze Situation sehr dem ersten Joining geähnelt hat, das ich mit Mona letzten Sommer in Deinem Seminar gemacht habe. Sie versuchte damals auch, sich durch schnelles Traben zu entziehen, aber dann ließ sie sich durch Wendungen und Stopps „eingrenzen“ und schloß sich sehr schnell an.

Ich bin so glücklich, dass ich diese Aktion beobachten durfte, die allerdings nur durch die Raumbegrenzung im Roundpen so zustande gekommen ist. Bedürfte ich noch einer Bestätigung, dass Dein „Pferdeflüstern“ der richtige Weg im Umgang mit Pferden ist, so wäre dies die beste gewesen.


Bild oben: Kirsten Lotz, die Autorin, mit Mona (links) und Mr. Freckles
Bild unten: Mona mit ihrer Besitzerin Catharina - offensichtlich ist kein Strom auf dem Draht...