FS-Umfrage zum Thema:

Die Positive Kraft der Pause - Wie viel Zeit sollte man Pferden lassen?

Ein povokanter Beitrag zum Thema von Heinz Welz

Ich möchte zu diesem Thema einen eher extremen Aspekt herausgreifen: Ich habe in meinem Leben vielleicht ein paar hundert Pferde verladen, die sich vorher nicht haben verladen lassen; die bei fehlgeschlagenen Versuchen sich selbst oder Menschen verletzten; oder auch nur Teile des Transporter oder Dinge in der Umgebung des Verladeversuchs demoliert haben.

Bisweilen habe ich solche Pferde auch bei Demo-Seminaren verladen, weil ich Menschen zeigen wollte, dass auch solche Pferde mit dem richtigen Wissen, der richtigen Technik und der richtigen Einstellung zu verladen sind; aber auch, um Menschen an ihre Grenzen heranzuführen. Denn diese Demos dauerten bisweilen bis zu vier Stunden. Die wenigen Zuschauer, die bis zum Schluss ausharrten, bekundeten am Ende immer: „So viel Ausdauer hätte ich aber nicht.“ Manchen Pferdeleuten fehlt es nämlich vor allem an Ausdauer und Geduld. Und solche Menschen brechen die Arbeit gerne ab, weil sie nicht mehr weiter wissen, oder weil sie die Frustration des dauernden Scheiterns nicht mehr ertragen können.

Wie lange kann der Mensch sich konzentrieren?

Das gibt freilich kaum jemand zu. Stattdessen werden scheinpädagogische Argumente bemüht, die den Menschen auch noch in einem guten Licht erscheinen lassen. Etwa dies: dem Pferd sei es nicht länger zuzumuten; das Pferd könne sich nicht länger konzentrieren. Das klingt gut. Das Wort Pferd durch Mensch zu ersetzen, schien mir hier oft ehrlicher zu sein.

Natürlich haben auch Pferde Grenzen bei ihrer Aufnahmefähigkeit – junge zumal. Die Grenzen sind – meiner Erfahrung nach - jedoch viel weiter gesteckt. Oder glaubt jemand, Pferde als Fluchttiere der Grassteppe würden während andauernder Verfolgungsjagden durch Raubtiere zwischendurch einmal Richtung Verfolger „Stopp“ rufen, „lasst uns mal kurz verschnaufen!“ Die Leistungsfähigkeit von Pferden – mentaler, emotionaler und körperlicher Art – wird von uns Menschen meist falsch eingeschätzt. Das berechtigt uns natürlich nicht, sie zu überfordern. Hüten sollten wir uns aber auch vor Unterforderung aus Selbstschutz oder besser gesagt: Eigennutz.

Wissen und Selbstvertrauen

„Nimm Dir die Zeit, die es braucht, dann braucht es keine Zeit mehr.“ Dieses sprichwörtliche Wortspiel bringt alles zum Thema auf den Punkt. Wo es den Menschen jedoch an Wissen und Selbstvertrauen fehlt, da mangelt es auch an der Bereitschaft, sich Zeit zu nehmen. Denn in jeder Sekunde drohen ja Frust oder Scheitern.

Wissen und Fähigkeiten verleiten umgekehrt aber auch dazu, jemand anderen zu überfordern. Wie ist nun aus diesem Dilemma herauszukommen, das eine vom anderen zu unterscheiden? Meines Erachtens nur dadurch, jede Minute im Umgang mit anderen dazu zu nutzen, das eigene Gefühl zu entwickeln und ein Gefühl für den anderen zu bekommen.

Entscheidend: Das Einfühlungsvermögen

Dieses Gefühl für mich selbst und die Einfühlung in mein Gegenüber ist der Gradmesser für „richtig“ und „falsch“, für „zu viel“ oder „zu wenig“, für „zu lang“ oder „zu kurz“. Um dieses Gefühl zu entwickeln, muss man sich allerdings Zeit nehmen. Gar nicht viel, aber immer wieder, vielleicht jeweils nur ein paar Minuten. Die sollten aber voller Aufmerksamkeit sein. Und dann wird man sich wundern!

Der große amerikanische Horseman Tom Dorrance entwickelte den Dreiklang „Time/ Feel/ Balance“ (Zeit/ Gefühl/ Gleichgewicht). Ich würde ihn so übersetzen: „Nimm Dir Zeit, Gefühl zu erkennen und Gefühl zu entwickeln und alles kommt ins Gleichgewicht.“

 


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