In Ihrer Ausgabe 12/2004 befragte die "Freizeit im Sattel" Experten zum Thema Führungsqualitäten im Umgang mit Pferden.

Muss man Führungsfähigkeit lernen? Nach welcher Technik ist es

möglich? Welche Rolle spielt dabei die innere Einstellung?

Heinz Welz vertritt darin den Standpunkt:

Wir führen immer!


Im Round Pen: Hier wird Führung zuerst etabliert

Pferde zu führen, bedeutet: Art, Dauer und Richtung ihrer Bewegung zu bestimmen. Ob das gelingt, entscheidet über ihr, unser und anderer Leute Schicksal. Denn ein Pferd kennt von Natur aus die Straßenverkehrsordnung nicht, es kennt keine Autos oder Traktoren, und würde von sich aus Waschplätze, Beschlagsstände oder Anbindebalken meiden. Ohne Führung würde das Pferd fliehen oder sich wehren – bei einigen Hundert Kilo Lebendgewicht und ihrem großen Ausdauerpotential eine eminente Gefahr.

Wir führen beständig, ob wir wollen oder nicht; ob wir’s wissen oder nicht; ob wir gut oder schlecht führen: Wir führen. Das heißt: Wir erzielen Wirkung. Immer. Entweder als Lachnummer oder als Furcht erregendes Monster - oder als Autorität, der man folgt, weil man ihr vertraut. Wie wir wirken ist interessanterweise mehr von der jeweiligen Situation abhängig und von denen, die wir führen, als von unseren spezifischen Führungseigenschaften.

Alles hängt von den Umständen ab

Es ist wissenschaftlich auch nicht bewiesen, dass Intelligenz etwa, Extraversion oder gar Dominanz Führungsfähigkeit beinhalten. Genau so wenig wissen wir, welche Bedeutung unsere innere Einstellung hat: Wenn wir zum Beispiel eher sachbezogen denken und so effizient wie möglich sein wollen; oder wenn wir „sozioemotional“ führen, also um ein günstiges Arbeitsklima bemüht sind und auf die persönlichen Bedürfnisse und Probleme desjenigen eingehen, den es zu führen gilt. Und auch hier gilt: Welcher dieser beiden Typen der effektivste Führer ist, welche Einstellung am effektivsten ist, das hängt wieder von den Umständen ab.

Was folgt daraus? Gute Führung ist nicht wirklich planbar. Nur so viel steht fest: Ein wirklich guter Führer muss zu jeder Zeit alles sein: sachbezogen und einfühlsam; dominant und weich; intelligent und intuitiv; extrovertiert und introvertiert. Mit anderen Worten: Er muss auf einem gefestigten Fundament stehen und dennoch flexibel sein - methodisch, strategisch, geistig, körperlich und emotional. Je nach Situation eben.

Schmerz, Schaden, Frust oder Ärger

Eine Mammutaufgabe scheinbar. Wer das nicht kann, wem das zuviel oder zu anstrengend ist, der läuft jedenfalls Gefahr, sich selbst oder anderen Schmerz oder Schaden zuzufügen, zumindest aber Frust oder Ärger. Denken Sie doch nur mal an ihren Chef, das Weichei, den Brüllaffen oder Unnahbaren. Oder an den ungerechten Lehrer. Wie fühlen Sie sich da? Ihr Pferd fühlt sich möglicherweise immer so.

Wer das versteht und anerkennt, wird bestrebt sein, sich zu entwickeln. Man könnte es auch Reifung nennen. Unsere Pferde (und die Menschen, mit denen wir zu tun haben) leiden in Wirklichkeit nicht unter dummen, schlauen, dominanten, ängstlichen oder angeberischen, sondern unter unreifen Menschen.

Ermutigen, motivieren, fördern

Qualifizierte Führung zeigt sich deshalb auch nicht in der geschickten Anwendung irgendwelcher Techniken mit irgendwelchen Hilfsmitteln, sondern darin, Mitarbeiter zu Selbstverantwortung zu ermutigen, sie zu motivieren, zu fördern, ihre Schwächen auszugleichen, ihre Stärken hervorzuheben und ihnen ausreichenden Spielraum zur Verfügung stellen. Verwechseln Sie Führung nicht mit Verführung oder Vergewaltigung!

Kurz gesagt: Gute Führungsarbeit ist nichts anderes als optimale Kommunikation. Dies wiederum bedeutet aber zuvorderst, dem anderen etwas zu schenken: Aufmerksamkeit, Respekt, Liebe. Denn Basis aller Führung ist Vertrauen, beim Führenden ebenso wie beim Geführten. Vertrauen bedeutet immer: Zuverlässigkeit und die Gewissheit, dass alles, was geschieht, nicht bedrohlich, sondern entwicklungsfördernd ist. Das kann nur einer verstehen, der vertraut. Das ist das Geheimnis des Lebens, und es ist zugleich das Geheimnis guter Führung.

Auch das ist Führung: Das Pferd folgt jeglichem Gefühl

Anderes Beispiel: Sich Verladenlassen ist Folgsamkeit pur

Noch ein Beispiel für Gehorsam beim Führen


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