Machen
Grenzen Pferde glücklich? Pferde lieben die Weite - wir sperren sie in die Box. Sie sind Fluchttiere - wir zügeln sie mit dem Gebiss. Was Grenzen für das Pferd bedeuten: von Heinz Welz |
Ob
jemand mit seinem Pferd schmust oder eher Distanz im Umgang pflegt; ob
und wie ein Reiter sein Pferd putzt, ihm das Zaumzeug überstreift
und ihm das Gebiss ins Maul schiebt, den Sattel auflegt, den Gurt festzurrt,
seine Schenkel anlegt oder am Zügel zieht; die weiche oder die harte
Hand - alles hat mit Raum nehmen oder Raum geben zu tun und bedeutet:
Grenzen zu setzen oder zu öffnen. |
Raum
ist überlebens- wichtig Seit die Spezies vor rund 4000 Jahren in Babylonien erstmals domestiziert wurde, hat sie sich als Haus-pferd zwar an räumliche Einengung gewöhnt und die natürliche Furcht vor unnatürlichen Grenzen überwunden. Dennoch macht manch leidgeplagter Pferde-besitzer hier bisweilen andere Erfahrungen: Wenn sein Pferd aus der Weide ausbricht, in Box oder Paddock ran- |
daliert
oder sich nicht verladen lässt. Gehen wir einen Schritt weiter: Jedes
Anreiten und Einfahren, bereits das erste Aufhalftern oder Satteln zeigt,
dass Pferde - trotz Domestikation - ihre instinktive Abwehr gegen zu starke
Einengung beibehalten haben. An Einengung gewöhnt Denn Zaumzeug, Sättel, Gebisse, Gerten und Schenkel haben etwas mit Zähnen und Wänden gemeinsam: |
Auch
sie beschreiben Grenzen und beschneiden Räume besonders stark. Somit
gefährden sie das natürliche Überlebensprinzip von Pferden
noch einschneidender. Kein Wunder dass alle Pferde grundsätzlich zunächst
die Tendenz haben, vor ihnen zu fliehen oder sich dagegen zu wehren. Gehen
wir noch einen Schritt weiter: Auch unsere Hände repräsentieren
Grenzen. Streichelnde Hände sind die feinsten physischen Grenzen. Schlagende
Hände können die gröbsten Grenzpfeiler sein und zudem die
schmerzhaftesten Werkzeuge einsetzen: Gerten, Peitschen und Gebisse. Es liegt in unserer Hand Dazwischen spielt sich viel ab. Warum bleiben manche Pferde beim Putzen nicht stehen, legen die Ohren an oder schnappen? Was der Mensch mit Striegel und Bürste für notwendigen Pflegeaufwand hält, empfindet das Pferd möglicherweise als Vorstufe zur Tötung. Warum lassen sich manche Pferde nicht einmal streicheln? Weil sie menschliche Hände immer nur als fordernd, doch niemals als gebend kennengelernt haben. |
Paradox:
Grenzenlosigkeit statt Grenzen Pferde brauchen von Natur aus also Grenzenlosigkeit zum Überleben. Als Haustiere und Partner des Menschen müssen sie jedoch lernen, Grenzen zu respektieren - für Pferde eine paradoxe, weil unnatürliche Forderung. Für uns Menschen ist sie im Umgang mit Pferden jedoch überlebenswichtig.
Die Kunst
besteht allerdings darin, dies auf natürliche Art so zu machen, dass
weder ihr Flucht- noch ihr Abwehrinstinkt aktiviert werden.
Wenn Ihr
Pferd Ihnen das Leben schwer macht, hat dies immer mit einem oder mehreren
dieser Punkte zu tun. |
Im
Round Pen Gefühl füreinander entwickeln Bewährte Hilfsmittel, um Pferde (und sich selbst im Umgang mit Ihnen) zu erziehen, um Gefühl und Selbstkontrolle zu entwickeln, sind ein Round Pen, das vier-Meter-Arbeitsseil mit (am besten) einem Knotenhalfter sowie Hände und Augen des Menschen. Der Round Pen ist anfangs die denkbar größte (und beste) Begrenzung, um mit dem Pferd wirkungsvoll zu kommunizieren. Denn die Kommunikation im Round Pen - richtig angewendet - zielt (neben vielem anderen) darauf ab. |
Auf der Weide: Hier nimmt der Mensch den Pferden Raum und versetzt die Herde in eine Fluchtbewegung. |
Entscheidend
ist der richtige Umgang mit den Räumen: Gute Round Pen-Arbeit gewährt
dem Pferd jeweils so viel Raum, dass ihm der Mut zur Bewegung bleibt,
die Motivation also ungebrochen ist; und sie begrenzt den Raum nur so
weit, dass jeglicher Übermut dort für das Pferd zu der unangenehmen
und unvergesslichen Lernerfahrung wird: „Ich laufe zwar davon, aber
ich komme doch nicht weit.” |
Mit
wenig Energie zum Gewünschten Wir bieten dem Pferd im Round Pen das Gegenteil an: Wir gewähren ihm so lange Raum, bis es stehen bleibt. Dadurch, dass wir den Raum vergrößern, bedienen wir uns seines eigenen, natürlichen Sicherheitskonzepts: Raum zu haben bedeutet Sicherheit für das Pferd. Der Effekt ist außerordentlich. Und nebenbei lernen Mensch und Pferd gemeinsam, immer nur so viel Energie aufzuwenden wie nötig. Der energiesparende Umgang wird für beide auf Dauer zur guten Gewohnheit. |
Erziehung
mit Halfter und Seil
Wann immer möglich, lässt sie die Zügel locker. Wenn nötig kann sie sie aber auch fest annehmen, um sie sobald wie möglich wieder zu lösen. Dieses Autoritätskonzept motiviert Pferde zu Bewegung, und es nimmt ihnen den Übermut. Es macht Mensch und Pferd feinfühlig füreinander. Und es verhindert, dass beide sich gegenseitig überfordern. |