Verladen mit Sinn und Verstand 

Ein Pferd zu verladen gehört für viele Pferdebesitzer noch zu den letzten Abenteuern dieser Welt. Während manche Vierbeiner ohne mit der Wimper zu zucken in den Hänger klettern, verweigern sich andere stoisch. Für die Dressur-Studien hat Heinz Welz aufgeschrieben, wie sich Pferde am besten verladen lassen.

Praktische Tipps von Heinz Welz

Auch Verladetraining beginnt sinnvollerweise im Round Pen (links)

 

- Das sollte das Ergebnis sein: ein freies Pferd geht rückwärts in den Hänger (rechts)

 

Fakt ist: Sich leicht verladen zu lassen, ist für jedes Pferd wichtig, nicht nur für Turnierpferde oder solche, die verkauft werden sollen. Auch Freizeit- oder Wanderreiter, die (sympathischerweise) darauf schwören, jeden Ort auch anreiten zu können, tun gut daran, ihr Pferd ‚verladefromm‘ zu machen, denn selbst wer einen Pferdehänger für unnütz wie einen Kropf hält, kann irgendwann einmal in die Verlegenheit kommen, verladen zu müssen, wenn das Pferd beispielsweise dringend in die Klinik muß. So gesehen ist ein verladefrommes Pferd auch überlebensfähiger.

Auch Verladen ist Bewegen
Da es den meisten Pferden weder an Futter mangelt und sie sich auch nicht vor Raubtieren in Acht nehmen müssen, die ihnen nach dem Leben trachten, können sie sich weitgehend darauf konzentrieren, mit Menschen um ihren Rangordnungplatz in der Gemeinschaft zu streiten. Die grundsätzliche Frage in Sachen Rangordnung lautet bekanntlich: „Wer bewegt wen?“ Und wenn ich gar einen ‚ganzen Satz‘ Bewegungen in jemandem auslöse, dann führe ich ihn sogar. Und verladen ist, so gesehen, nichts anderes als führen: das Pferd eine Reihe von Bewegungen so machen zu lassen, dass es am Ende im Hänger steht.

Beim Führen (müssen) hört für den Freizeitmenschen das Vergnügen auf:

Die Mühe möchte er sich nicht machen. Andere, für die der Kampf zum Leben gehört, blühen stattdessen auf. So manche geschundene Kreatur weiß ein Lied davon zu singen. In beiden Fällen gibt es Verlierer. Doch das muß nicht sein. Wer die Führungsfrage auf anständige Weise klärt, produziert auf Dauer nur Gewinner.

Seriöses Verladetraining -
Wissen, Strategie und Konsequenz


Und wie geht nun Verladen, wenn sich ein Pferd nicht verladen lassen möchte? Wir reden hier von einem seriösen Verladetraining, und nicht von Tricks, ein Pferd mal schnell in den Hänger zu bringen. All jene Menschen, die keine Lust darauf (oder keine Ahnung davon) haben, ein Pferd zu erziehen, fragen am liebsten nach Patentrezepten. Wenn das Patentrezept ihnen besonders clever vorkommt, nennen sie es einen Trick, wenn sie total überrascht sind, ein Wunder. Dabei handelt es sich nie um etwas anderes als um angewandtes Wissen, Strategie und Konsequenz.

Wissen
Als erstes geht es darum, zu wissen, wie man ein Pferd führt, und darum: ein Pferd dann auch tatsächlich zu führen, um die Praxis also. Außer Wissen gehören dazu Führungsfähigkeit und Führungsbereitschaft und die richtige Technik und Ausrüstung.

Ich trainiere als erstes immer die Folgsamkeit im Round Pen. Dabei lernt das Pferd bereits, dass es der Mensch ist, der seine Bewegungen kontrolliert, und

 

daß Folgsamkeit die angenehmere Form der Lebensgestaltung ist. Für manche Pferde reicht das, um dem Menschen auch in den Hänger zu folgen, den ich dann zwischen zwei Elemente des Round Pen oder (bei einem stationären) zwischen die Türpfosten plaziere. Alternativ kann das natürlich auch in einem abgegrenztem Hallenbereich geübt werden.

Mit Pferden, die dennoch den freiwilligen Einstieg verweigern, gehe ich systematisch einen Schritt zurück, indem ich sie ans Seil nehme und mit ihnen das Führen trainiere.

Phase 1: Bewegung
Da ein Verladeproblem immer ein Führungsproblem ist, beginnen wir zunächst mit Bewegung durch physische und nicht-physische Energie, also mit direktem und indirektem Gefühl. Denn noch mehr als bei anderen Trainingsformen geht es hier um Konsequenz und Verläßlichkeit.

Phase 2: Sensibilisierung und Desensibilisierung
Im Vordergrund steht in Phase 2 vor allem Sensibilisierung und Desensibilisierung mit und für unbekannte Gegenstände und Situationen. Ich lasse die Pferde dabei beispielsweise

• in und auf Autoreifen steigen,
• auf und über Plastikfolien treten und
• über Holzplatten laufen.

 

Am Ende soll sich das Pferd langweilen

Wenn ich eine Halle zur Verfügung habe (wenn nicht, suche ich eine, zumindest einen eingezäunten Platz), lasse ich die Pferde
• in eine Ecke gehen (tun sie freiwillig immer gerne),
• dort auf Plastikfolie stehen (mit der Nase vor der Wand, die Bande an einer Körperseite)
• und nähere mich schließlich von der Seite mit einem Holzbrett,
• oder lege zusätzlich eine Sprungstange auf die Bande, so daß das Pferd am Ende von vorn, links, rechts und unten eingerahmt ist.

Das alles, je nach Pferd, Schritt für Schritt und der Reihe nach, bis das Pferd die Einrahmung akzeptiert und den vorn begrenzten Engpaß selbständig betritt. Am Ende bitte ich zwei Helfer, eine Stange oder einen breiten Streifen Plastikfolie über Kopfhöhe des Pferdes zu halten und lasse das Pferd unter Stange oder Plastikfolie hindurchgehen und dann darunter stehen.

Das Pferd muß sich am Ende der Prozedur, die sich über mehrere Tage hinziehen kann, regelrecht langweilen, wenn es schon wieder auf dem Holzbrett steht, mit der Wand vor der Nase und an der rechten Längsseite; weil nichts Spannenderes kommt, einigermaßen interessiert an den Sprungstangen schnuppern, und in Gottes Namen darauf warten, daß etwas Interessanteres passiert.

Das Entscheidende dabei ist nicht nur, dass das Pferd sich daran gewöhnt hat, sondern: dass auch Sie es wissen, dass Ihr Pferd es kann. Das ist eine psychologisch wichtige Voraussetzung für Ihre Geduld und Ausdauer und Selbstsicherheit, wenn Sie die Themen später mit Ihrem Pferd vor der Hängerklappe ‚diskutieren‘.

Wenn Sie wissen, dass Ihr Pferd all das willig und gelassen akzeptiert, wird es Ihnen vor der Hängerklappe nicht mehr allzu viele ‚Argumente‘ gegen das Einsteigen präsentieren können.

Wenn das Pferd sich weigerte, unter der Stange herzugehen, die über seinen Kopf gehalten wurde, dann arbeite ich jetzt an dieser Bewegung. Ich stehe seitlich vor dem Pferd. Der Pfeiler, auf dem die Stange ruht (oder der Mensch, der sie hält) befindet sich schräg hinter mir.

Zunächst fordere ich jetzt das Pferd zur Vorwärtsbewegung auf, indem ich meine Führhand mit einer Seitwärts-Vorwärtsbewegung anhebe, so daß leichter Druck im Nacken des Pferdes aufgebaut wird (Stufe 1).

Wenn ich links vom Pferd stehe, hebe ich also meine linke Hand nach links bis leicht über Schulterhöhe. Verweigert das Pferd die Bewegung, hebe ich in Stufe 2 die Gerte .

Wenn mein linker Arm in diesem Fall den Zug aufgebaut hat, also nach links von meinem Körper weggestreckt ist, geht der Arm mit der Gerte genau in die Gegenrichtung, so daß die gedachte Verlängerung hinter der Kruppe des Pferdes ankäme. Reagiert das Pferd immer noch nicht mit der gewünschten Vorwärtsbewegung, dann wackele ich mit der Gertenspitze (Stufe 3).

Tut sich immer noch nichts, dann touchiert die Gertenspitze das Pferd auf Rücken oder Kruppe (Stufe 4).

Auf jeder Stufe warte ich etwa zwei Sekunden auf die gewünschte Bewegung des Pferdes. Sobald das Pferd nur einen Schritt in Richtung Querstange macht, lasse ich kurz nach. Dasselbe Training gilt für das Durchqueren von Engpässen oder glitzernden Bächen, für das Überschreiten von knisternden Plastikbahnen oder klappernden Holzböden.


Bereit für den Hänger
Wenn sich Ihr Pferd in Reitbahn oder Halle sicher in einen Engpaß führen läßt, den Sie vor einer Bande aufgebaut haben aus Seitenwänden links und rechts, Plastikfolie oder Holzbrett unten, ein oder zwei Querstangen oder ein Plastikbaldachin oben, dann sollte Ihr Pferd bereit sein für den Hänger.


Nur nicht in die Augen schauen

Die Vorbereitungen
Machen Sie es dem Pferd zunächst einfacher, indem Sie die vordere Einstiegstür öffnen. Sie können auch die Mittelwand ausbauen oder quer schwenken, so daß der Einstieg größer ist und mehr Licht in das Hängerinnere fällt. Sie können auch links und rechts Fänge bauen (die den Vorteil haben, den Aktionsradius des Pferdes zu begrenzen, aber auch den Nachteil, daß man im Ernstfall dagegengedrückt werden kann). Das alles können Sie machen, müssen es aber nicht, weil am Ende nur entscheidend ist, ob sich das Pferd wirklich führen läßt oder nicht.

Auf der Rampe
Beginnen Sie zunächst von einer Hängerseite und führen Sie das Pferd quer über die Rampe. Beobachten Sie Ihr Pferd dabei: Wieviele Hufe setzt es auf die Rampe? Stellt es sich gelassen auf die schräge Ebene, geben Sie ihm ein paar Sekunden Zeit, bleiben Sie stehen und tun Sie gar nichts. Dasselbe jetzt von der anderen Seite.

Lassen Sie Ihr Pferd ein paar Runden über die Rampe laufen. Und lassen Sie Ihr Pferd wiederum auch auf der Rampe anhalten und stehen. Wann immer es in den Hänger hineinschauen möchte, geben Sie mit dem Seil deutlich nach und lassen es schauen.

In den Hänger hinein
Hat das Pferd vier Hufe auf die Rampe gestellt, dann wissen Sie, dass es bereit ist, den nächsten Schritt zu tun: Richtung Hänger-Inneres. Am Ende des Trainings

sollte Ihr Pferd den Hänger alleine betreten, so dass Sie die hintere Querstange einlegen können, um den Hänger herumgehen, das Pferd innen festbinden und schließlich von außen die Klappe schließen können. )

Während des Trainings darf ein Ausbilder das Pferd auch in den Hänger führen. Das jedoch hängt von den Erfahrungen des Trainers und des Pferdes ab: Wie gut ist der Führer, wie problematisch das Pferd, denn einmal im Hänger gibt es im Ernstfall kaum Ausweichmöglichkeiten für den Menschen.

Auf keinen Fall sollte man es wie Monty Roberts bei seinen Demos machen: Mittelwand raus, Pferd rein und das Pferd im Hänger wenden lassen. Ein Pferd, das sich in mehreren Etappen, Schritt für Schritt, in den Transporter führen läßt (oder ihn selbständig besteigt), geht auch rückwärts wieder raus.

Technik 1:
Wenn Sie sich sicher fühlen, dann führen Sie Ihr Pferd gerade Richtung Hänger. Bleibt das Pferd stehen, gehen Sie einen


Schritt nach links oder rechts, und geben Druck auf das Seil, bis das Pferd einen Schritt macht. Dann sofort nachlassen. Weigert sich das Pferd, so richten Sie es mehrere Schritte rückwärts und fordern Sie das Weichen der Vorhand nach links und nach rechts.

Gehen Sie immer wieder so vor, und schauen Sie Ihrem Pferd nicht starr in die Augen. Das Wichtigste jedoch: Verlieren Sie nicht die Geduld! Seien Sie mit dem kleinsten Schritt in die gewünschte Richtung zufrieden und geben Sie dem Pferd eine kurze Pause. Wenn Sie das Pferd nicht wenigstens mit allen vier Hufen auf die Verladerampe bekommen, ist Ihre Technik wahrscheinlich noch nicht ausgereift genug.

Technik 2:
Führt dieses Verfahren nach einiger Zeit allein nicht zum Erfolg - das Pferd steht mit allen vier Hufen vor der Verladerampe und mag den Hänger nicht betreten -, dann wechseln Sie die Strategie. Stellen Sie sich mit dem Pferd in einem Abstand vor die Hängerrampe, den das Pferd widerspruchslos akzeptiert (oder fahren Sie dort fort, wo das Pferd bereits steht: vor oder auf der Rampe).

Jetzt fordern Sie eine Vorwärtsbewegung. Geben Sie


Führen, nicht verführen!

dem Pferd mit jedem gewünschten Schritt eine Rückmeldung: Gut gemacht! (Führhand runter, Gerte runter, ausatmen).

Das Pferd sollte den Hänger Schritt für Schritt selbständig betreten, also nicht gezogen und gezerrt werden. Achten Sie darauf: Drin ist es nur, wenn alle vier Hufe vollständig drin sind, wenn Sie also Querstange und Klappe schließen könnten.

Im Hänger drin
Bevor Querstange und Klappe geschlossen werden, muß das Pferd noch mindestens dreimal ein- und ausgestiegen sein. Nur so lernt es wirklich, diesen Zustand zu akzeptieren.

Schließen Sie zu schnell die Klappe, dann laufen Sie Gefahr, beim nächsten Mal wieder von vorn anfangen zu müssen. Ein Pferd ist erst dann ‚verladefromm‘, wenn es einen Hänger ohne zu zögern betritt, und ohne gleich wieder rückwärts rauszulaufen.

Damit müssen Sie am Anfang rechnen. Lassen Sie das Pferd ruhig wieder raus, so oft es will. Hindern Sie es nicht daran, ärgern Sie sich nicht darüber. Das gehört zum Training. Pferde brauchen die Wiederholung wie der Erstklässler.

Von Technik 2 geht die Wunschposition beim Verladen aus: Ein Mensch allein steht neben der Verladerampe, weist dem Pferd mit Hand und Führseil den Weg ins Innere. Das Pferd betritt den Hänger, Sie werfen das Führseil über seinen Rücken und schließen die Querstange.
Steht das Pferd erst einmal im Hänger, dann darf es nach Lust und Laune fressen.

Den Heusack haben Sie schon vorbereitet, jetzt kommen noch



Möhren oder andere Leckereien dazu. Aber erst jetzt, keinen Augenblick früher.

Manche Pferde lassen sich mit Futter zwar locken, wenn Sie aber satt sind (oder es satt haben), bewegen sie sich keinen Meter mehr. Hier geht es um bewegen, nicht um locken, um führen, und nicht um verführen. Konzentrieren Sie sich also aufs Führtraining und weniger aufs Füttern.

Vor der Abfahrt
Sollte das Pferd überhaupt zum ersten Mal im Hänger stehen, fahren Sie um Gotteswillen nicht gleich los. Wiederholen Sie die Prozedur an mehreren Tagen. Erst wenn die Sache wirklich gut aussieht, erst mit eingelegter Querstange, dann auch mit geschlossener Klappe, fahren Sie los.

Aber nur eine kurze Wegstrecke, ein paar hundert Meter; halten Sie dann an, lassen das Pferd ein paar Minuten weiter im Hänger stehen und öffnen erst dann die Klappe. Wieder ein paar Minuten Pause, wegggehen, nicht von hinten auf das Pferd schauen! Dann lösen Sie vorne den Anbindestrick und lassen das Pferd wieder erst einmal eine oder zwei Minuten warten. Dann erst lösen Sie die Querstange, damit das Pferd aussteigen kann. Dennoch sollte es auch hier nicht selbsttätig den ersten Schritt tun, sondern auf Ihre Aufforderung warten.

Varianten zum Verladetraining

Sicher nicht die abwegigste Methode ist es, einen Hänger mit Futter darin auf Weide oder Paddock zu stellen. Vorteil: Das Pferd hat Zeit, sich an all die Ungewöhnlichkeiten dieses Aufbaus zu gewöhnen. Hat es sich entschieden, den Hänger zu betreten, wird es mit Futter

belohnt. Dieses Vorgehen verlangt aber – im Gegensatz zur weitverbreiteten Ansicht, man könne die Arbeit getrost dem Pferd allein überlassen – guter Vorbereitung und Begleitung: Der Hänger mit allen Ecken und Kanten incl. Deichsel muß gut gesichert werden, so daß sich das Pferd nirgendwo verheddern kann. Er sollte zudem mit einem Zugfahrzeug gesichert und stabilisiert werden.

Innen muß der Hänger ‚entkernt‘ werden: alle Stangen raus, kein Heunetz drin, in dem sich das Pferd mit den Hufen verfangen könnte. Das Pferd darf kein Kopfstück tragen. Um einen Erfolg zu sichern, bedarf es im Grunde der dauernden Beobachtung aus angemessener Entfernung (ohne dass das Pferd es merkt). Diese Methode macht meines Erachtens aber nur wirklich Sinn als Einstimmung und Vorbereitung auf ein folgendes Führtraining, und wenn dem Pferd keine anderen Futterquellen zur Verfügung stehen.

Bisweilen verwendet wird auch das Ein-Mann/ Frau-Verfahren, ein langes Führseil um die vordere Bruststange des Hängers zu legen, und das Pferd dann von außen in den Hänger zu ziehen. Ein lebensgefährliches Verfahren, das einfach ignoriert, daß Pferde systematisch trainiert werden können, jeglichem Druck - in diesem Fall durch das Genickstück des Halfters - durch eine geordnete Bewegung zu weichen.
Wer sein Pferd also wirklich sicher und zuverlässig verladen möchte, der kommt um ein Führtraining nicht herum.