Informieren Sie sich online über die Arbeit des Vereins, Düren zeigt Stärke e.V.

13.08.2003 auf Gut Mausaul/Kreuzau

Zugang zu Gefühlen

Heinz Welz stiftet fünf Jugendlichen einen ganz besonderen Tag!

Von Mona Schubert

„Kommst Du nach den Ferien bitte wieder?", war die erste Frage der Kinder, nachdem dieser aussergewöhnliche Tag zu Ende gegangen war. Alle fünf Jugendlichen des Kinderheimes St. Joseph im rheinischen Düren waren sich einig: „Das war ein unvergessliches Erlebnis und eine bleibende Erfahrung mit vielen schönen Gefühlen.

Die fünf hatten sich einen Tag lang in die „Geheimnisse der Pferdeflüsterer“ einweihen lassen. Dahinter stand die Idee, Heimkindern Zugang zu Pferden zu eröffnen, um ihnen dadurch die Möglichkeit zu eröffnen, Zugang zu ihren eigenen, verloren gegangenen Gefühlen zu erlangen.

Die Idee zu diesem Pilot-Projekt hatte Silke Madscher (Bonn). Organisiert wurde es vom gemeinnützigen Verein "Düren zeigt Stärke e.V. – Wir helfen Kindern und Jugendlichen" und Heinz Welz, der sich unentgeltlich zur Verfügung gestellt und zusätzlich das Konzept entwickelt hatte. Der Kommunikationsspezialist, Persönlichkeitstrainer und fs-Autor Welz, der seit 1997 Pferdebesitzer in die „ganzheitliche Kommunikation" zwischen Menschen und Pferden einweiht, hilft Menschen (nicht nur Pferdeleuten) u.a. darin, über ihr Gefühl einen neuen Zugang zu sich selbst und zum Leben zu entwickeln.


v.links nach rechts:

Ursula Büssgen, Silke Madscher
u. Heinz Welz




Daher war es für Welz, mit seiner ursprünglichen Idee, eine Lebensschule zu gründen, eine ganz besondere Herausforderung, seine Erfahrung mit den fünf Jugendlichen aus dem Heim zu teilen, Kindern überdies, die in ihrem jungen Leben zum Teil schon viel Schlimmes erleben mussten, mehr als es sich der normalen Vorstellungskraft erschließt.

Welz: „Pferde sind ein wunderbares Medium dafür, Gefühle zu entdecken. Wer will, der kann sich wie in einem Spiegel selbst darin erkennen. Vor allem aber lehren Pferde uns, Gefühle wahrzunehmen und mit Gefühlen richtig umzugehen."

Natalie (13), Sabrina (15), Jenny (13), Peter (16) und Tom (14), waren zunächst skeptisch, neugierig und zurückhaltend zugleich, und dennoch mehr als bereit, mit den Pferden der Familie Demary auf Gut Mausauel im rheinischen Obermaubach (bei Düren), eine ganz andere Pferde-Mensch-Beziehung zu erleben, als sie es sich bislang hatten vorstellen können.


Der Morgen begann mit einer grundlegenden Einführung in das Pferde-Thema. Dazu ließ Welz die Teilnehmer zunächst eine viertel Stunde lang 'ihre Herde' beobachten – Voraussetzung für Wahrnehmung. Danach besprach die Gruppe das, was sie gesehen hatte: Welches Pferd mit wem befreundet ist; wer sich wo gewälzt hat; wohin die Pferde mit wem gemeinsam liefen; was sie taten, wenn Artgenossen vorbeigeführt wurden und noch vieles mehr.

Die fünf zeigten eine verblüffende Beobachtungsgabe. Welz: „Ich bin total erstaunt, was Ihr alles gesehen habt!" Mehr als aufmerksam und interessiert zugleich folgten die Jugendlichen seiner Aufforderung, das Pferdeverhalten zu erklären und sie folgten ebenso aufmerksam den Erklärungen von Heinz Welz.

Peter und Natalie        Tom mit seiner Wahlstute


Jeder der fünf hatte hier und da schon einmal Kontakt mit Pferden, außer Tom, der sehr still und zurückhaltend erschien, und der durch seine Kleidung (schwarz mit dem Aufdruck "Not from this World") irgendwo schon klarmachen wollte, „ich bin anders" als ihr. Tom hatte vor diesem Tag erst einmal mit einem Pferd Kontakt - als Fünfjähriger, als ihm ein Pony auf den Fuß getreten war...

Die folgenden Körpersprache-Übungen verblüfften die Jugendlichen komplett: Was man mit dem Körper alles sagen kann - meist sogar, ohne es zu wollen und oft sogar ohne es selbst zu merken! Zu den Übungen gehörte auch, wie man sich Pferden am besten annähert und wie man ihre Aufmerksamkeit bekommt.

Dann durfte sich jeder sein Lieblingspferd auswählen. Peter nahm die braune Stute Fanny, weil sie ihn an das Pferd erinnerte, das er aus seinen ersten Reitstunden kannte. Jenny wählte den Haflinger Nero aus, weil er ihr „einfach" gefiel. Sabrina entschied sich für die große weiße Stute Sunny, „weil sie wie ich weiblich ist", und Nathalie für den alten Oskar („Der sieht aus wie mein ehemaliges Pflegepferd“). Tom verblüffte alle, als er sich umdrehte, auf die gegenüberliegende Weide zeigte und sich – statt eines der Schulpferde - eine wunderschöne schwarze Friesenstute aussuchte: „Die will ich!"

Weil sich in der Beobachtungsrunde herausgestellt hatte, dass Sunny in der Gruppe „das Sagen“ hatte, demonstrierte Welz zunächst mit ihr, was es bedeutet, Pferden mit Gefühl und Körpersprache zu begegnen. In kaum drei Minuten gelang es ihm zur Verblüffung aller, die unter Sunnys Führung davonpreschende Herde mit ein paar Körperbewegungen aufmerksam zu machen und sie dann zu sich zu ziehen. Um sich schließlich – eng gefolgt von der zunächst widerstrebenden Sunny und ihren vier Artgenossen – vor den Zuschauern aufzustellen. So etwas hatten sie noch nie gesehen, und so wundert es nicht, dass die fünf ihrem Coach fortan noch intensiver folgten.

Natalie beim Streicheln    


Als nächstes stand putzen und streicheln auf dem Programm. „Das Beste, um Pferde zu putzen, sind Eure Hände!", verblüffte Welz die fünf, die natürlich sofort zu Striegel und Kardätsche gegriffen hatten. „Fühlt selbst einmal auf Eurer Haut, wie weh so eine Bürste tun kann." Beim Streicheln empfahl er: „Legt Euer Herz in Eure Hände. Fühlt wie sanft und weich sich ein Pferd anfühlt und schenkt ihm Eure Zärtlichkeit!"

Mit der braunen Fanny von Peter führte Heinz Welz vor dem Mittagessen ein Joining im Round Pen vor, um den Kindern eine weitere Vorstellung davon zu geben, wie ein Pferd auf die mentalen sowie auf die körperlichen Signale hin reagiert. Welz unterstrich dabei wiederum: „Achtet auf die körpersprachlichen Signale. Pferde verstehen nur eine einzige Sprache weltweit, die Körpersprache. Erfühlt mit Euren Händen und Eurem Empfinden dieses schöne und starke Wesen...." Sätze die bei den fünf Jugendlichen etwas ausgelöst haben müssen, was sie schon lange nicht mehr oder aber noch niemals erfahren durften. Ein spannendes Thema, bei dem es keine Sekunde langweilig wurde. Gebannt schauten alle zu und stellten hinterher sehr gewählte und spezifische Fragen.

Die Mittagspause ging den Teilnehmern nicht schnell genug rum und daher standen alle sehr fix und diszipliniert mit ihren fünf Pferden da, als es in den Nachmittag ging. Als erste meldete sich Natalie mit dem über 20 Jahre alten Oskar, einem erfahrenen Pferd im Umgang mit 'seinen' Menschen. Oskar zwang Nathalie zu absoluter Geduld. Ihre kontrollierten Körperbewegungen und ihre Beharrlichkeit überzeugte ihn schließlich und er folgte ihr voller Vertrauen. „Absolut gekonnt“, kommentierte Welz die Leistung des Mädchens.

Tom, der ruhige und zurückhaltende Junge, der sich für ein fremdes Pferd entschieden hatte, folgte als Nächster. Die Organisatoren hatten die Besitzerin von Toms Wunschpferd unterdessen informiert und ihre Zusage bekommen. Und nicht nur das: Die Frau kam eigens angereist, um sich die Sache anzuschauen. So kam auch Tom zu seinem Wunschpferd: einer wunderschönen 5-jährige Friesenstute, die, wie konnte es anders sein, wohl aufgrund ihrer schwarzen Färbung mehr seiner Einstellung entsprach, als das Schulpferd.

Sehr geduldig und fast schon hingebungsvoll, ließ sich Tom von der Besitzerin alles erklären und wir alle staunten nicht schlecht, wie der 14-jährige Tom, der bislang keine Mine verzogen hatte, und der absolut unerfahren mit Pferden war, sein Joining mit dieser jungen Stute ablegte. Die Stute genoss die Streicheleinheiten zu Beginn des Joining so sehr, dass sie kurze Zeit später schon Tom vollends vertraute und sich ihm direkt ohne große Diskussion anschloss, als ob beide sich schon ewig kennen würden.

Sehr behutsam und vorsichtig ließ Tom die Friesenstute im Round Pen arbeiten.  Tom auf seiner Wahlstute. Er sitzt zum allerersten Mal auf einem Pferd, und die Stute trägt erst zum dritten Mal überhaupt einen Menschen! Tom bewies durch Feingefühl den richtigen Umgang mit der Friesenstute

Auf die Aufforderung von Heinz Welz, nachdem die Stute Tom zwischendurch einmal den Hintern zudrehte und lieber fraß, "...du darfst die Stute ruhig auch mal mit dem Seil berühren...." , entgegnete der auf den ersten Blick so coole Tom wie aus der Pistole geschossen und energisch: "Nein, das will ich aber nicht....",sodass es uns durch Mark und Bein ging. Es war auch gar nicht mehr nötig, da die Stute sich im gleichen Moment wieder Tom anschloss und beide das Round Pen ohne Führseil und mindestens drei Meter an Stolz und Selbstbewusstsein gewachsen, problemlos wieder verließen. Das war wohl für diesen Tag der ergreifendste Moment, vor allem für seine Betreuer.

Auch Peter, Sabrina und Jenny zeigten uns durch ihre Souveränität, dass sie durchaus in der Lage waren, einem Fluchttier wie dem Pferd, innerhalb kürzester Zeit Sicherheit, Vertrauen und Führung zu bieten. Peter, der am Morgen bei der ersten freien Begegnung mit Fanny noch etwas „weiche Knie“ hatte, überzeugte Fanny einfach dadurch, dass er einfach nichts von ihr wollte. Das schlug bei der Stute so an, dass sie ihm fortan – selbst außerhalb des Round Pen nicht mehr von der Seite wich.

Peter legte ein souveränes Joning ab    Nach kurzem "Flüchten" zeigte sich der Haflinger kooperativ und folgte Jennifer vertrauensvoll.

Sabrina hatte mit Leitstute Sunny erwartungsgemäß eine ausführliche Diskussion zu führen, ehe sich das große Pferd der kleinen jungen Dame anschloss. Ebenso wie Jenny, die ihrem Haflinger Nero ein paar Mal deutlich machen musste, „wo es langgeht“, wusste Sabrina ihr Pferd am Ende zu überzeugen. Beide überzeugten Coach Welz, wie zuvor schon Nathalie, durch ihre feine Körpersprache und ihre Geduld und Beharrlichkeit. So wunderte sich Welz anschließend: „Die Mädchen fielen eher durch eine gewisse Führungsbereitschaft auf, die Jungs hingegen verblüfften mich durch ihre Sanftheit.

Jennifer fühlt reiten    Peter freihändig und selbstbewusst     Eine wundervolle Erfahrung am Ende dieses Tages

Die Betreuer und auch die Zuschauer waren sich am Ende dieses Tages einig, dieses Projekt muss unbedingt weiter ausgebaut werden. Heinz Welz bescheinigte den Teilnehmern absolute Disziplin und Gelehrigkeit, wie er es selten erlebt habe. Gerade bei diesen Pferden, die - bedingt durch den Reitbetrieb - im Umgang mit Kindern zwar „brav" sind, was aber noch lange nicht heißen muss, dass sie auch folgsam sind.

Die anschließende Endrunde, die in entspanntem Reiten ohne Sattel und Zaumzeug langsam auslief, rührte nochmals alles an Emotionen bei den Kindern, Betreuern und Zuschauern auf, denn nun mussten letztlich sie den Pferden „vertrauen". Doch nach diesem Tag war das gar kein Problem mehr. Alle setzten sich auf den blanken Pferderücken und ließen sich zunächst über die Wiese führen. Bald jedoch ritten sie schon allein reiten – der krönende Abschluss für alle Beteiligten.

Auf Heinz Welz´ Frage, wie denn nun allen gehe, entgegneten sie scheinbar im Einklang, "...das Pferd fühlt sich sehr wohl mit mir und schenkt mir das gleiche Vertrauen wie ich ihm jetzt...“ Eine starke Aussage von zum Teil abgeschobenen Kindern,denen es im Alltag überaus schwer fällt, anderen zu glauben, geschweige denn zu vertrauen.

Die „Abschlussrunde", bei der jeder Teilnehmer eine Urkunde, eine Zehnerkarte zum Reiten auf dem Hof der Familie Demary, eine Ausgabe der „Freizeit im Sattel“ und eine kleine Schleife zur Erinnerung erhielt, ließen die Freude und den neu erarbeiteten Stolz in den Gesichtern der fünf Jugendlichen aus dem Kinderheim St. Joseph hell erstrahlen, und es konnte demnach keine bessere Erfahrung für alle geben.

Fast jeder kommentierte die Nachfrage von Heinz Welz, was es denn jedem gebracht hätte, mit den Worten: "Ich hätte es niemals für möglich gehalten, ein Pferd ohne Sattel und Zaumzeug so ruhig und friedlich zu führen und zu reiten...!“

Alle Beteiligten haben sich zur Fortführung dieses Projektes bereit erklärt. Um alles finanzieren zu können, sind Spenden an den Verein sehr willkommen! Informieren Sie sich über die Arbeit und die Projekte des Vereins hier: www.duerenzeigtstaerke.com
oder unter www.heinzwelz.de


<< zurück zur Seite Artikel