Wahre Freundschaft im Rampenlicht - Cavalia
von Rika Schneider


Mit mehr als 50 Pferden und 35 zweibeinigen Artisten aus den verschiedensten Ländern feiert Cavalia nach einer erfolgreichen Europatournee mit Auftritten in Brüssel, Berlin und Amsterdam Premiere in Düsseldorf. Die Verbindung von Reitkunst, Freiheitsdressuren, Tanz und Akrobatik verzaubert den Zuschauer. Warum Pferdekenner Frédéric Pignon und Magali Delgado mit ihren Darbietungen mitten ins Herz der Reiter treffen und was diese davon mit nach Hause nehmen können, erfahren Sie hier.

Stolz marschiert der Schimmel in die große Showarena. Er präsentiert sich, rollt seinen Kopf und seine ein Meter lange Mähne weht im Scheinwerferlicht. Das Publikum raunt. "Er kokettiert mit dem Publikum", erzählt Magali Delgado. "Als unser alter Schimmel Templato das erste Mal in die Arena kam, schwang er so seinen Kopf. Die Reaktion des Publikums darauf hin gefiel ihm so gut, dass er es von da an auf jeder Show machte und mit dem Publikum spielte", erinnern sich Delgado und Pignon. In diesem Moment erkannte das Paar zum ersten Mal, dass ihre Pferde auch mit dem Publikum spielen können und Spaß daran haben.

Cavalia ist anders als andere Pferdeshows. Cavalia trifft die Zuschauer mitten ins Herz, denn das was die beiden Franzosen mit ihren Pferden zeigen, sind keine Kunststücke. Es ist die Beziehung zwischen Mensch und Pferd, die dargeboten wird. "In allen Übungen, die wir trainieren wollen, steht immer die Beziehung zueinander im Vordergrund", erzählt Delgado. "Also möchte ich eine Piaffe reiten oder Frédéric einen bestimmten Schritt in der Freiheitsdressur erarbeiten und das Pferd kann oder will diesen gerade nicht ausführen, dann würden wir das nie erzwingen. In einer guten Beziehung, die auf Respekt beruht, würde man vom Partner nicht etwas fordern, was er einem nicht freiwillig geben würde. Die Qualität der Beziehung steht immer an erster Stelle. Möchte er also den Piaffeschritt nicht geben, machen wir etwas anderes." Das Paar, das unabhängig voneinander schon in der Kindheit solche Grundwerte mitbekam, achtet diese Werte auch in der Show. Auch hier muss das Pferd nicht alles tun, es wird darum gebeten. Delgado, die als junges Mädchen mit ihren Schwestern auf Ponys über die Wiesen galoppierte, entwickelte auf ganz natürliche Weise ein Gefühl für Pferde. Dieses ist so gefühlvoll, wie ihre Eltern es vorlebten.

Vierbeiner on Tour
Mehr als 50 verschiedene Pferderassen, davon über die Hälfte Hengste, aus Kanada, Frankreich, Spanien und den USA sind während der Tour im Großzelt und auf Paddocks untergebracht. Hier sorgen die Pfleger, Magali Delgado und Frédéric Pignon dafür, dass die Pferde ihre nötige Ruhe und Pflege erhalten. Vertreten sind Belgische Kaltblüter, Appaloosas, Canadian Horses, Friesen, Lusitanos, Paint Horses, Percherons, Quarter Horses, Andalusier und Warmblüter. Zweibeiner on Tour Den 35 zweibeinigen Artisten aus Kanada, Frankreich, Kirgistan, Marokko, Polen, Russland und den USA steht das Cavalia Zeltdorf zur Verfügung, das 150 Helfer errichtet haben. Auf Tour sein bedeutet für die Künstler und Helfer in sieben Zelten zuhause zu sein: Big Top-Zelt mit 33 Meter Deckenhöhe und 2004 Sitzplätzen, Rendezvous-Zelt, Publikumseingangzelt, Artistenzelt, Aufwärmzelt, Stallzelt und Cafeteria-Zelt für die Darsteller.

Freundschaft, Show & Reitalltag  

Das was die Zuschauer sehen und was sie fasziniert in der Show sind nicht die vollführten Lektionen, sondern die Verbundenheit, die Delgado und Pignon mit ihren Pferden haben. Die Faszination liegt im authentischen Gefühl von Pferd und Reiter. Es ist nichts aufgesetzt oder gespielt. "Respekt den Pferden gegenüber ist nicht nur in der Show wichtig, sondern auch hinter den Kulissen: unsere Pferde auf Tour haben immer ein Paddock und zwischen den Tourtagen haben sie Weidegang und können toben und spielen und ihre Ruhe genießen", betont Pignon den Umgang mit den Pferden. "Freundschaft heißt auch, ihnen eine Welt zu schaffen, die so stressfrei und angenehm wie möglich ist. Die Pfleger sind nicht laut oder aggressiv, keiner rennt hektisch durch die Stallgassen - all diese äußeren Einflüsse sind positiv - für das Show-Team und für die Pferde", fährt der Leiter der Pferdeausbildung bei Cavalia fort. "Sind Reiter angespannt, sind die Pferde das auch", erläutert Delgado die feinstofflichen Dinge zwischen Mensch und Pferd.

"Wenn wir also mit Pferden zusammen sind, dann haben wir nichts anderes im Kopf, was uns ablenkt, kein Arbeitsplan oder irgendwelche Büroarbeit. Wir sind entspannt und im Moment. Vielen Leuten fällt dies schwer und sie kommen schon mit angespannter Muskulatur in den Reitstall und wundern sich dann, dass ihr Pferd auch fest ist. Es ist nicht immer leicht,

seine eigene Mitte zu finden, doch dieBeziehung zum Pferd profitiert davon." Wie man selber mit dem zwei- oder vierbeinigen Freund umgeht, bleibt jedem selber überlassen. In den Augen der Pferde können wir aber erkennen, ob sie Dinge mit Freude tun oder ob sie nur das tun, was der Mensch ihm auferlegt. Und eine vom Pferd erbrachte Leistung sieht nur dann schön, weich und ästhetisch aus, wenn sie freiwillig und vom Herzen kommt. Magali Delgado und Frédéric Pignon ermutigen und motivieren mit ihrer Darbietung, Pferde einmal aus einer anderen Sicht zu betrachten - aus ihrer.

Interview mit Magali Delgado  

R.S.: Als Frédéric und Du Cavalia geplant habt, hattet ihr ein genaues Bild von der Show im Kopf, wie es aussehen sollte?

M.D.: Wir haben schon einige Shows in Europa gemacht und während dessen entwickelten sich unsere Cavalia-Szenen. Wir wählten schon einzelne Passagen aus, wie zum Beispiel das Karussell oder Elemente der Freiheitsdressur und hatten ziemlich schnell ein klares Bild vor Augen, wie der reiterliche Anteil von Cavalia aussehen würde. Ist es so geworden, wie ihr es im Kopf hattet? Ja, ganz genauso. Uns war wichtig, dass die Leute berührt werden, von dem was die Pferde und Akteure zeigen. Und das ist uns gelungen.

R.S.: Eure Pferde spulen nicht - wie Marionetten - nur etwas Gelerntes für die Show ab, sondern sind mit ihrer ganzen Persönlichkeit präsent und drücken Freude aus. Was macht ihr so anders mit Euren Pferden, dass sie dieses Strahlen im Auge behalten?

M.D.: Eines der wichtigsten Dinge ist wohl, dass wir die Pferde auch während der Show unbeaufsichtigt frei miteinander spielen lassen. Sie müssen nicht immer ‚funktionieren'. Unser Training ist nicht eine Übungseinheit, sondern wir sind immer wie eine Familie zusammen, spielen mit den Pferden in der Show genauso wie wir es zuhause tun. Dass heißt die Showelement sind ein Zusammensein und kein Abrufen von Übungen. Das macht einen Unterschied in der Form wie sich ein Tier darstellt. Wir zwingen das Pferd niemals zu einem Schritt, den es nicht anbietet. Macht es einen Piaffeschritt nicht, gehen wir halt zu einer anderen Lektion über. Vielleicht mag das Pferd dies ja morgen tun. Was die Zuschauer sehen und was so beeindruckt, sind nicht die Kunststücke oder Lektion, also nicht die Technik. Was sie berührt ist die die Verbundenheit, die wir mit den Pferden haben. Und dieser gerecht zu werden, ist unser größtes Bestreben.

R.S.: Ist Cavalia so erfolgreich, weil genau diese Beziehung von Reiter und Pferd so authentisch ist?

M.D.: Ja, ich denke schon. So wie die Pferde, Frédéric und ich auf der Show sind, genauso sind wir auch zuhause. Nichts ist aufgesetzt nur für die Show.

 

R.S.: Muss man ein besserer Horseman werden, um ein besserer Mensch zu sein - oder anders herum?

M.D.: Die Pferde sind unsere Lehrer. Sie haben mein Leben verändert. Möchte man auf einer wirklichen Freundschaftsebene mit ihnen leben und kommunizieren, geht das nur, wenn man ein offener Mensch ist. Man muss das Pferd respektieren. Viele Menschen sind im Alltag angespannt oder gestresst, zuhause in der Familie oder im Geschäft. Kommen sie dann für nur eine Stunde am Tag zum Pferd und sie bringen diesen Alltagstonus mit zum Pferd, kann es nur mit Anspannung darauf reagieren. Um mit Pferden verbunden zu sein, muss man offen sein und vor allem muss man alles Andere in und um einen herum vergessen und nur im Moment mit dem Pferd sein.

R.S.: Wie lange dauert es im Durchschnitt, bis ein Band zwischen Euch und einem Pferd so gefestigt ist, dass es auch in einer Show nicht abreist?

M.D.: Das kommt auf das Pferd drauf an. Viele Pferde sind schon lange so eng mit uns zusammen, dass sie zuhause zuverlässig die Abläufe mitmachen. Fühlt sich das Pferd zuhause in seiner Position wohl, dann versuchen wir es mit Lautsprecher, Scheinwerfern, in Showatmosphäre für ein, zwei Minuten. Erst wenn sie sich wirklich so wohl fühlen wie sonst auch, nehmen wir sie mit in die Show. Dort probieren wir es einmal aus. Ist das Pferd glücklich damit, hält dies für immer. Manche Pferde sind eng verbunden mit uns, dennoch brauchen sie ein oder zwei Jahre bis sie auch für die Show soweit sind. Bei der Aufführung entwickelt sich dann jedes Pferd wieder anders. Unser Pferd Gracil zum Beispiel fing dann an zu spielen und sich am Ende der Show gut zu fühlen. Er buckelte dann und das Publikum bestätigte dies mit einem Oh und Ah… Am nächsten Tag, Gracil war ja neu dabei, machte er es zum Ende wieder und erfreute sich sichtlich an der Reaktion der Zuschauer. So spielerische, individuelle Einlagen sind es, die die Pferde mit Spaß bei der Sache halten.

Text: Rika Schneider / www.horsesinmedia.de / www.goodhorsemanship.de